Unzuverlässig wegen Diebstahls geringwertiger Sachen

Der Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis aufgrund einer Regelvermutung der Unzuverlässigkeit auch bei einem (wiederholten) Diebstahl geringwertiger Sachen gerechtfertigt.

Unzuverlässig wegen Diebstahls geringwertiger Sachen

Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis setzt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG u.a. voraus, dass der Erlaubnisinhaber die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. An dieser fehlt es nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG in der Regel, wenn der Betroffene wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist und seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die regelhafte Vermutung der Unzuverlässigkeit sind im vorliegend vom Verwaltungsgericht Hamburg entschiedenen Fall erfüllt: Die Antragstellerin ist am 18.12 2008 und am 10.06.2011 vom Amtsgericht Hamburg wegen Diebstahls geringwertiger Sachen jeweils zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden. Eine rechtskräftige Verurteilung i.S.d. § 5 WaffG liegt auch bei einer Verurteilung durch Strafbefehl vor[1]. Die Verurteilung aus dem Jahre 2011 ist seit dem 25.07.2011 und damit noch nicht seit fünf Jahren rechtskräftig. Überdies ist die Antragstellerin zwischenzeitlich erneut wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand liegen auch keine Gründe dafür vor, von einem Ausnahmefall auszugehen:

Die Vermutung der Unzuverlässigkeit kann nur bei Vorliegen solcher Umstände als ausgeräumt geachtet werden, die einen Ausnahmefall kennzeichnen. Da das Gesetz auf die Verurteilung wegen einer Straftat abstellt, kommt es vor allem darauf an, ob die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung des Betroffenen ausnahmsweise derart in einem milderen Licht erscheinen lassen, dass die – nach der Wertung des Gesetzes in der Regel durch eine solche Straftat begründeten – Zweifel an der für den Waffenbesitz vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen nicht gerechtfertigt sind. Die Prüfung, ob die Regelvermutung entkräftet ist, erfordert eine Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt[2], § 5 Rn. 38; Gade/Stoppa, WaffG, 2011, § 5 Rn. 21)). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering gehalten werden soll. Es soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffe jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen[3].

Dabei ist es vorliegend nicht entscheidend von Bedeutung, dass vorliegend eine Verurteilung jeweils nur wegen einer geringfügigeren Straftat (Diebstahl geringwertiger Sachen) zu jeweils 30 Tagessätzen Geldstrafe erfolgte. Der Gesetzgeber hat hinreichend deutlich gemacht, dass es im Falle wiederholter Verurteilung nicht mehr auf die Höhe der Geldstrafe ankommt, so dass sich eine Unterscheidung der Delikte in nicht-geringfügig, die zu einer Unzuverlässigkeit führen und geringfügige, die Zweifel an der Zuverlässigkeit nicht begründen können, verbietet. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang, dass es sich dem Grundsatz nach jeweils um einen Diebstahl gemäß § 242 StGB handelt und sich die Geringwertigkeit der Sachen lediglich in § 248a StGB bzw. bei der Festsetzung des Strafmaßes auswirkt. Gleichermaßen ist es – wie die Aufzählung in Nr. 1 der Vorschrift deutlich macht – nicht von Bedeutung, dass es sich bei den vorliegenden Straftaten um solche handelt, die keinen Bezug zu Waffen aufweisen[4]. Entscheidend für die Vermutung der Unzuverlässigkeit ist mithin bei einer Verurteilung von weniger als 60 Tagessätzen die Wiederholung der Straffälligkeit, die die „Schwere der Tat“ in diesem Zusammenhang maßgeblich begründet. Das Gericht kann nicht erkennen, inwiefern in dieser Hinsicht eine Ausnahme von der Regelvermutung gerechtfertigt sein könnte. Vielmehr hat sich durch eine erneute Verurteilung im Jahr 2012 gezeigt, dass von der Antragstellerin – auch wenn ggf. ein Persönlichkeitsproblem vorliegen sollte, das aber nicht die strafrechtliche Verantwortlichkeit in Frage stellt – weiterhin die Gefahr der Begehung von Straftaten ausgeht. Dass eine tatbezogene Würdigung diesbezüglich eine Ausnahme nahelegt, ist nicht erkennbar. Die eigene Schilderung der Diebstähle seitens der Antragstellerin lassen keine tatbezogenen Umstände erkennen, die diese in einem besonders milden Licht erscheinen lassen; der geringe wirtschaftliche Wert der gestohlenen Gegenstände findet seinen Niederschlag in dem Antragserfordernis des § 248a StGB bzw. in der Strafzumessung. Insoweit hat das Gericht davon abgesehen, im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens die Strafakten beizuziehen.

Soweit die Antragstellerin vorträgt, sie befinde sich in Therapie und ein Sachverständiger im Strafverfahren habe ihr für die Zukunft eine positive Prognose gestellt, dürfte sich dies im vorliegenden Verfahren – ungeachtet der lediglich prognostischen Einschätzung – nicht zu Gunsten der Antragstellerin auswirken. Maßgeblich ist insoweit allein die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung[5], hier des Widerspruchsbescheides vom 29.08.2012.

Es kann auch im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheidend auf den Vortrag der Antragstellerin ankommen, von ihr ginge keine individuelle Gefahr für die Allgemeinheit aus. Mit dieser Argumentation wird die Systematik der Regelvermutungstatbestände nicht erfasst. Eine einzelfallbezogene Prognose des Risikos ist in Fällen, in denen einer der in § 5 Abs. 2 WaffG geregelten Vermutungstatbestände verwirklicht ist, gerade nicht erforderlich. Vorgreiflich ist vielmehr die in der Regelvermutung zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Risikoeinschätzung[6].

Schließlich können auch die von der Antragstellerin eingereichten „Leumundzeugnisse“ einen Ausnahmefall im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG nicht begründen, denn die gesetzliche Vermutungsregelung greift auch dann ein, wenn der Betroffene sich ansonsten immer ordnungsgemäß verhalten hat[7]. Es kommt nicht auf das sonstige Wohlverhalten, die soziale Stellung oder einen bisher beanstandungsfreien Umgang mit Waffen an[8]. Dies gilt auch hinsichtlich der von der Antragstellerin vorgetragenen besonderen Verdienste als Jagdhundezüchterin und -ausbilderin.

Ob im Rahmen der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG durch die Vorlage eines fachpsychologischen Gutachtens zur Persönlichkeit des Betroffenen die Vermutung der Unzuverlässigkeit widerlegt werden kann[9], kann offenbleiben. Denn die Antragstellerin hat – trotz mehrfacher Ankündigung bereits im Vorverfahren – ein solches Gutachten nicht vorgelegt.

Verwaltungsgericht Hamburg – Beschluss vom 23. Oktober 2012 – 4 E 2140/12

  1. vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 26.08.2009 – 3 So 112/09[]
  2. vgl. Runkel in: Hinze, Waffenrecht, Kommentar WaffG ((Stand: 11/2010[]
  3. Gesetzesbegründung zu § 5: BT-Drs. 14/7758, S. 54[]
  4. vgl. Gesetzesbegründung zu § 5, BT-Drs. 14/7758, S. 54; BVerwG, Beschluss vom 21.07.2008, 3 B 12/08, juris[]
  5. vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.2007, 6 C 24/06, Juris[]
  6. vgl. OVG Münster, Beschluss vom 30.06.2009, 20 B 846/09, Juris[]
  7. vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.09.1991, Buchholz 402.5 WaffG Nr. 60; OVG Hamburg, Beschluss vom 26.08.2009, 3 So 112/09[]
  8. vgl. BayVGH, Beschluss vom 10.08.2007 – 21 CS 07.1446[]
  9. verneinend für ein medizinisch-psychologisches Gutachten etwa: Nds. OVG, Urteil vom 16.12.2008 – 11 LB 31/08[]