Die Waffenbehörde ist durch keine Norm im Waffengesetz berechtigt, die Herausgabe von anderweitig in ihren Besitz gelangten Waffen im Sinne der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts von der Vorlage eines Gutachtens zur Frage der waffenrechtlichen Eignung (§ 6 Abs. 2 WaffG) abhängig zu machen. Es ist auch keine Umdeutung einer solchen Anordnung in eine sofortige Sicherstellung nach § 46 Abs. 4 WaffG möglich.

So das Verwaltungsgericht Freiburg in dem hier vorliegenden Fall eines Waffenbesitzers, dessen Waffen bei einer Durchsuchung von der Kriminalpolizei in Besitz genommen worden sind. Ausgangspunkt war eine E-Mail vom 09.11.2010 eines Sicherheitsbeauftragten, der bei der Kriminalpolizei Mitteilung machte, der Kläger habe Andeutungen gemacht, die darauf schließen ließen, er werde bei seinem Arbeitgeber wegen privater und beruflicher Probleme Amok laufen. Am 10.11.2010 vernahm die Kriminalpolizei … einen Vorgesetzten des Klägers, der angab, der Kläger sei ein Waffennarr sondergleichen, nehme regelmäßig an Reserveübungen der Bundeswehr teil und habe in seinem Haus sogar einen besonders gesicherten Raum zur Aufbewahrung der Waffen. Der Kläger, der einerseits eine nette und hilfsbereite Person sei, andererseits aber oft unangemessen reagiere, wenn ihm etwas gegen den Strich gehe, habe zwar nicht konkret mit einem Amoklauf gedroht, möglicherweise habe er sich aber nicht mehr im Griff, weil er sehr starke Medikamente einnehme. Bei einer dann erfolgten Durchsuchung sind die vorhandenen Waffenbesitzkarten mit den dort eingetragenen Waffen von der Kriminalpolizei in Besitz genommen worden. Später wurden die Waffen an das Amt für öffentliche Ordnung der Beklagten mit der Bitte um weitere Veranlassung übergeben.
Mit Beschluss vom 30.05.2011 – 14 Wx 2/11 – hob das Oberlandesgericht … den Beschluss des Amtsgerichts … vom 10.11.2010 – 22 XIV 104 B/10 – auf und stellte fest, dass die Durchsuchungsanordnung vom 10.11.2010 rechtswidrig war. Zur Begründung heißt es, eine Wohnungsdurchsuchung sei nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 PolG zulässig, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sich in der Wohnung eine Sache befinde, die sichergestellt oder beschlagnahmt werden dürfe. Allein aufgrund der Aussage des Zeugen … hätten jedoch keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass die Beschlagnahme der Waffen i.S. des § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG wegen eines drohenden Amoklaufs des Klägers zum Schutz gegen eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit erforderlich gewesen sei. Vor diesem Hintergrund drängte der Kläger auf Herausgabe der Waffen und Erlaubnisurkunden. Mit Verfügung vom 06.06.2011 gab die Beklagte dem Kläger daraufhin auf, bis zum 01.07.2011 ein fachärztliches bzw. fachpsychologisches (Kurz-)Gutachten vorzulegen (I.). Unter Nr. II der Verfügung wird angeordnet, dass die mit Einverständnis des Klägers sichergestellten (im Einzelnen aufgeführten Waffen) bis zur Vorlage eines fachärztlichen oder fachpsychologischen (Kurz-)Gutachtens in Verwahrung der Waffenbehörde verbleiben. Unter Nr. III wurde die sofortige Vollziehung der Nr. II angeordnet. Dagegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt, über den nicht entschieden worden ist. Am 13.07.2011 hat der Kläger verwaltungsgerichtliche Klage erhoben, mit der er die Aufhebung der Verfügungen der Beklagten begehrt und die Herausgabe seiner Waffen und waffenrechtlichen Erlaubnisse fordert.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Freiburg ist die Verfügung der Beklagten rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 13 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Unter diesen Umständen kann der Kläger aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch auch die Herausgabe der Waffen verlangen. Nr. I der Verfügung vom 06.06.2011 ist bereits deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte die Aufforderung zur Vorlage eines fachärztlichen bzw. fachpsychologischen Gutachtens in der Form eines Verwaltungsakts getroffen hat, obwohl sie nur als unselbständige Verfahrenshandlung hätte ergehen dürfen. Es fehlt insoweit an der erforderlichen Rechtsgrundlage.
Für Nr. II der Verfügung vom 06.06.2011 gilt im Ergebnis nichts anderes. Sie ist in Verbindung mit Nr. I dahin auszulegen, dass die Beklagte die Herausgabe der Waffen im Sinne der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts von der Vorlage eines fachärztlichen bzw. fachpsychologischen (Kurz-)Gutachtens abhängig macht, das die persönliche Eignung des Klägers für den Umgang mit Waffen bestätigt. Denn unter Nr. II der Verfügung schreibt die Beklagte ausdrücklich, die Waffen blieben bis zur Vorlage des unter Nr. I geforderten positiven Gutachtens in ihrer Verwahrung. Die Beklagte ist mit anderen Worten nur gegen Vorlage eines solchen Gutachtens bereit, dem Kläger seine Waffen wieder herauszugeben. Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die Regelung unter Nr. III der Verfügung vom 11.09.2012 bestätigt. Die Anordnung der Sicherstellung der Waffen des Klägers soll bis zur Vorlage des geforderten Gutachtens aufrechterhalten bleiben, die Waffen sollen dem Kläger also erst wieder herausgegeben werden, wenn er das geforderte Gutachten vorlegt.
Die Geltendmachung eines solchen Zurückbehaltungsrechts bedeutet für den Kläger einen Eingriff und bedarf deshalb einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage (vgl. als Beispiel für eine solche Ermächtigungsgrundlage etwa § 16 VwKostG, wonach die Vornahme einer Amtshandlung von der Zahlung eines angemessenen Vorschusses abhängig gemacht werden kann). Daran fehlt es jedoch.
Zu Unrecht stützt die Beklagte ihre Entscheidung auf § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG. Nach dieser Bestimmung kann die Waffenbehörde waffenrechtliche Erlaubnisurkunden und die in Abs. 2 und 3 der genannten Norm bezeichneten Waffen u.a. dann sofort sicherstellen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Waffen missbräuchlich verwendet oder von einem Nichtberechtigten erworben werden sollen.
Bereits die Rechtsfolge dieser Norm „sicherstellen“ zeigt, dass es hier um eine endgültige waffenrechtliche Entscheidung und nicht um ein Zurückbehaltungsrecht geht. Zwar ist die Sicherstellung eine vorübergehende Maßnahme, bei der die Waffen zunächst im Gewahrsam der zuständigen Waffenbehörde verbleiben, bei der die zivilrechtliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers jedoch unberührt bleibt[1]. Die in § 46 Abs. 5 WaffG geregelte weitere Vorgehensweise (Benennung eines empfangsbereiten Berechtigten, Einziehung, Verwertung, Vernichtung – die Herausgabe an den ursprünglichen Besitzer ist dagegen nicht vorgesehen) verdeutlicht jedoch, dass der waffenrechtliche Sachverhalt mit der Sicherstellung abschließend geregelt werden und die genannte Norm nicht dazu dienen soll, die Beibringung eines Gutachtens zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts durchzusetzen.
Die oben dargestellten tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm zeigen ebenfalls, dass sie von einem bereits vollständig ermittelten Sachverhalt ausgeht. Die sofortige Sicherstellung kann nur erfolgen, wenn abschließend geklärt ist, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Waffen missbräuchlich verwendet oder von einem Nichtberechtigten erworben werden sollen. Demgegenüber ist ein Gutachten nur dann erforderlich, wenn weiterer Aufklärungsbedarf besteht. So hat die Waffenbehörde dem Betroffenen nach § 6 Abs. 2 WaffG die Vorlage eines Zeugnisses aufzugeben, wenn Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die persönliche Eignung begründen. Durch das Gutachten wird dann geklärt, ob die Bedenken zu Recht bestehen.
Auch nach der Systematik des Waffengesetzes ist ein solches Zurückbehaltungsrecht zur Erreichung des Gesetzeszwecks, nämlich den Umgang mit Waffen und Munition unter Beachtung der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu regeln (§ 1 WaffG), nicht erforderlich, wie die nachfolgenden Überlegungen zeigen: Steht fest, dass der Betroffene die persönliche Eignung für den Umgang mit Waffen nicht besitzt, so hat die Waffenbehörde die beantragte Erlaubnis zu versagen. Erweist sich später, dass die persönliche Eignung überhaupt nicht vorgelegen hat oder fällt sie nachträglich weg, so ist die waffenrechtliche Erlaubnis zurückzunehmen bzw. zu widerrufen (§ 45 Abs. 1 und 2 WaffG). Liegt die in § 46 Abs. 4 WaffG beschriebene besonders gefährliche Situation (missbräuchliche Verwendung) vor, so ist die sofortige Sicherstellung zulässig. Eines Gutachtens bedarf es in diesen Fällen nicht. Es ist nur erforderlich, wenn noch nicht entschieden werden kann, ob die persönliche Eignung (noch) gegeben ist, weil die bekannten Tatsachen insoweit lediglich Bedenken begründen. Bringt der Betroffene in dieser Situation das geforderte Gutachten nicht fristgemäß bei, so kann die Waffenbehörde daraus auf die Nichteignung schließen (§§ 45 Abs. 4 WaffG, 4 Abs. 6 AWaffG) und wiederum die o.g. Entscheidungen treffen. Ergibt sich während der laufenden Frist, dass es an der persönlichen Eignung fehlt, braucht die Waffenbehörde nicht die Vorlage des Gutachtens oder den Ablauf der hierfür gesetzten Frist abzuwarten, sondern kann sofort die erforderlichen waffenrechtlichen Maßnahmen durchführen.
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte auch auf § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG. Zunächst dürfte diese Bestimmung im Bereich des Waffenrechts überhaupt keine Anwendung finden. Denn das Waffengesetz stellt eine Sonderregelung hinsichtlich der von Waffen ausgehenden Gefahren mit Vorrang gegenüber dem allgemeinen Gefahrenabwehrrecht dar. Der Rückgriff auf die Bestimmungen des Polizeigesetzes dürfte daher nur für den Polizeivollzugsdienst in einer Eilsituation bzw. dann in Betracht kommen, wenn das Waffenrecht eine unbeabsichtigte planwidrige Regelungslücke enthält[2]. Eine solche besteht hier jedoch nicht, wie die Regelung in § 46 Abs. 4 WaffG zeigt, die die Waffenbehörde ebenfalls zur umgehenden Begründung der Sachherrschaft über Waffen berechtigt. Abgesehen davon ergibt sich aus den bereits o.g. Gründen auch aus dieser Bestimmung keine Grundlage für das von der Beklagten geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht. Zutreffend weist der Kläger auch daraufhin, dass eine Beschlagnahme nach § 33 Abs. 4 Satz 2 PolG im Regelfall höchstens 6 Monate aufrechterhalten werden darf.
Nr. II der Verfügung vom 06.06.2011 ist auch nicht dahin umzudeuten, dass die Beklagte damit die sofortige Sicherstellung der genannten Waffen gemäß § 46 Abs. 4 WaffG anordnet. Dem steht bereits § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG entgegen. Denn die Rechtsfolgen einer sofortigen Sicherstellung und damit einer endgültigen Entscheidung wären für den Kläger ungünstiger als das von der Beklagten bislang lediglich ausgeübte Zurückbehaltungsrecht. Um die Herausgabe der Waffen zu erreichen, würde es dann nämlich nicht genügen, dass der Kläger das geforderte positive Gutachten vorlegt. Vielmehr müsste zuvor noch die Verfügung über die sofortige Sicherstellung aufgehoben werden. Eine solche Anordnung wäre auch Grundlage für nachfolgende Maßnahmen nach § 46 Abs. 5 WaffG (Einziehung, Verwertung oder Vernichtung der Waffen). Die bloße Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts dürfte dafür dagegen nicht ausreichen.
Ungeachtet dessen liegen auch die Voraussetzungen für eine sofortige Sicherstellung nach § 46 Abs. 4 WaffG nicht vor. Auch deshalb kommt eine Umdeutung nicht in Betracht (§ 47 Abs. 1 a.E. VwVfG). Der Tatbestand des § 46 Abs. 4 WaffG ist nicht verwirklicht.
Ein vollziehbares Verbot nach § 41 Abs. 1 und 2 WaffG ist nicht ergangen (§ 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 WaffG); auch nicht im Hinblick auf das Vorderladergewehr Dikar, bei dem u.a. Erwerb und Besitz erlaubnisfrei zulässig sind.
Dass die Waffen des Klägers von einem Nichtberechtigten erworben werden sollen, behauptet auch die Beklagte nicht (§ 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 zweite Alter. WaffG).
Es liegen auch keine Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass die Waffen des Klägers missbräuchlich verwendet werden sollen (§ 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 erste Alter. WaffG).
Zwar sind hier an den Grad der Wahrscheinlichkeit, ob ein befürchteter Schaden eintreten wird, keine sehr hohen Anforderungen zu stellen, weil der von einer missbräuchlichen Schusswaffenverwendung drohende Schaden sehr groß und folgenschwer sein kann. Bloße Vermutungen über eine missbräuchliche Verwendung von Waffen sind jedoch grundsätzlich nicht ausreichend für eine sofortige Sicherstellung. Selbst wenn aus konkretem Anlass eine Sofortmaßnahme gegenüber einem Waffenbesitzer getroffen werden soll, muss bei verständiger Würdigung der der Behörde bekannten tatsächlichen Verhältnisse ernsthaft eine alsbaldige missbräuchliche Verwendung der Waffen drohen[3]. Daran fehlt es hier.
Entgegen der Auffassung des Klägers folgt dies allerdings noch nicht daraus, dass das OLG … mit Beschluss vom 30.05.2011 die Durchsuchungsanordnung des AG … vom 10.11.2010 für rechtswidrig erklärt und dabei zur Begründung ausgeführt hat, es hätten keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass eine Störung der öffentlichen Sicherheit unmittelbar bevorgestanden habe. Zwar dürfte dieser Beschluss der materiellen Rechtskraft fähig sein, denn es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitsache der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, bei der sich mehrere Beteiligte, der Kläger und das Land, mit widerstreitenden Interessen gegenübergestanden haben[4]. Die materielle Rechtskraft kann jedoch nur für und gegen die Beteiligten eines Verfahrens wirken (vgl. §§ 325 ZPO, 121 VwGO). Die Beklagte war indessen im Verfahren vor dem OLG … nicht beteiligt. Ohnehin erstreckt sich die Rechtskraftwirkung nicht auf die dem Entscheidungsausspruch zu Grunde liegenden Tatsachenfeststellungen. Dem allein von der materiellen Rechtskraft erfassten Ausspruch im Tenor der Entscheidung des OLG … vom 30.05.2011 (Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung) kommt dagegen für das vorliegende Verfahren auch keine präjudizielle Bedeutung zu.
Es ist aber auch sonst nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger die Waffen alsbald missbräuchlich verwenden wird.
Zunächst kann die gegenteilige Annahme der Beklagten nicht darauf gestützt werden, dass der Kläger an Reserveübungen der Bundeswehr teilnimmt, als Waffenliebhaber zahlreiche Waffen in Besitz hat und diese in einem besonders gesicherten Raum aufbewahrt. Denn all dies ist völlig gesetzeskonform. § 36 WaffG enthält sogar besonders strenge Vorschriften über die Aufbewahrung von Waffen. Die Behauptung des Zeugen …, der Kläger habe auch eine Kalaschnikow und ein Scharfschützengewehr mit Zielfernrohr in Besitz – und verstoße damit gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz -, fand bei der Hausdurchsuchung am 11.11.2010 keine Bestätigung. Zwar ist unstreitig, dass die Ehe des Klägers geschieden wurde, er sich von seiner Freundin getrennt hat, der Verlust des Arbeitsplatzes drohte, eine Bewerbung als Polizeifreiwilliger nicht zum Erfolg führte und der Kläger wegen arbeitsplatzschutzrechtlicher Probleme auch sein Vorhaben, für die Bundeswehr nach Afghanistan zu gehen, nicht verwirklichen konnte. All dies sind aber Probleme, mit denen eine Vielzahl von Menschen so oder in ähnlicher Form alltäglich konfrontiert werden. Auch wenn sie beim Kläger im Jahre 2010 in einer gewissen Häufung aufgetreten sind, so rechtfertigt das doch nicht die Annahme, der Kläger werde seine Waffen missbräuchlich verwenden. Gleiches gilt für die vom Kläger vehement bestrittene abfällige Äußerung über einen betrieblichen Vorgesetzten („Wichser“), weshalb auch offen bleiben kann, ob sie tatsächlich so erfolgt ist. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger bei seiner polizeilichen Vernehmung im Anschluss an die Hausdurchsuchung angegeben hat, die Erinnerungen an die o.g. belastenden Lebensumstände kämen in ihm wieder hoch und er wolle darüber nicht reden. Gerade kurz nach einer sehr belastenden und tief in den Bereich der persönlichen Lebensführung eingreifenden polizeilichen Maßnahme erscheint diese Reaktion nachvollziehbar. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger häufiger aggressiv geworden wäre, andere bedroht oder gar physisch angegriffen hätte, sind nicht erkennbar. Erst recht ist nichts dafür ersichtlich, dass er konkrete Vorbereitungen für eine missbräuchliche Verwendung seiner Waffen getroffen oder dahingehende Ankündigungen gemacht hätte. Die vom Kläger als „saudummes Stammtischgeschwätz“ bezeichnete Äußerung gegenüber Kollegen, zum Stürmen des Polizeireviers in … würde er sich einen Bagger besorgen und die Wand eindrücken, hat er plausibel damit erklärt, sie sei anlassbezogen im Zusammenhang mit vergleichbaren Vorgängen in Frankreich gefallen, wo die Polizeireviere von Ausländern gestürmt wurden, die so gegen die Verweigerung der Legalisierung ihres Aufenthalts protestieren wollten. Legt man diese Erklärung des Klägers zu Grunde, so handelte es sich bei der Äußerung um eine Beschreibung, auf welche Weise die Stürmung eines Polizeireviers technisch möglich ist. Dass der Kläger so etwas vorhabe und dabei seine Waffen verwenden wolle, kann daraus aber auch dann nicht geschlossen werden, wenn die Äußerung nicht in dem konkreten Zusammenhang gefallen sein sollte (dazu noch näher unten).
In der Verfügung vom 11.09.2012 hat die Beklagte desweiteren ausgeführt, beim Kläger bestehe der Verdacht auf eine psychische Erkrankung bzw. eine psychische Belastungsreaktion, weil ein Arbeitskollege des Klägers und der Sicherheitsbeauftragte … deshalb Anlass gesehen hätten, die Polizei einzuschalten. Die Beklagte stellt hier bloße Vermutungen an, zumal sowohl der Arbeitskollege des Klägers als auch der Sicherheitsbeauftragte der … keine entsprechende Kompetenz haben. Hier ist auch erneut zu berücksichtigen, dass sich gerade die Behauptungen des Arbeitskollegen, die letztlich wohl der maßgebliche Grund für das polizeiliche Einschreiten der Kriminalpolizei … gewesen sein dürften (Kläger besitzt Kalaschnikow und Scharfschützengewehr mit Zielfernrohr, verfügt über besonders gesicherten Raum für seine Waffen) bei der Hausdurchsuchung als falsch herausgestellt haben bzw. ihnen ein absolut gesetzeskonformes Verhalten des Klägers zu Grunde liegt. Die Beklagte behauptet in der Verfügung vom 11.09.2012 weiter, auch der Betriebsarzt der … habe einen Anlass dafür gesehen, dem Kläger auf Grund seiner persönlichen Situation anzuraten, bei seinem Hausarzt vorstellig zu werden. Die Beklagte nimmt hier offensichtlich auf das Schreiben der Kriminalpolizei … vom 17.11.2010 Bezug. Dort heißt es in der Tat, der Kläger habe sich auf Veranlassung des Betriebsarztes am 09.11.2010 bei seinem Hausarzt vorgestellt. Abgesehen davon, dass auch diesbezüglich nähere Einzelheiten nicht bekannt sind, wird in dem Schreiben vom 17.11.2010 weiter ausgeführt, nach dem Besuch beim Hausarzt sei alles geklärt gewesen. Bei den Äußerungen, der Kläger nehme starke Medikamente und befinde sich in psychosomatischer Behandlung, handelt es sich um bloße Spekulationen. Der Kläger hat außerdem angegeben, er benötige die Medikamente gegen starke Kopfschmerzen.
Auch aus § 4 Abs. 6 AWaffV kann nicht gefolgert werden, dass die Voraussetzungen für die sofortige Sicherstellung vorgelegen haben. Zwar mag es sein, dass das vom Kläger auf die Aufforderung im Schreiben der Beklagten vom 03.03.2011 vorgelegte hausärztliche Attest vom 21.03.2011 den Anforderungen gemäß §§ 6 Abs. 2 WaffG, 4 AWaffV nicht genügt. Nach § 4 Abs. 6 AWaffV darf die Beklagte daraus jedoch nur auf die Nichteignung schließen (dazu noch näher unten). Dies berechtigt jedoch noch nicht zur sofortigen Sicherstellung der Waffen. Denn wenn es an der erforderlichen Eignung fehlt, so ist die waffenrechtliche Erlaubnis zwar nach § 45 Abs. 1 oder 2 WaffG zurückzunehmen oder zu widerrufen. Die Sicherstellung der Waffen ist dann jedoch gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG erst nach fristlosem Ablauf einer Frist für ihre Überlassung oder Unbrauchbarmachung zulässig.
In der Verfügung vom 11.09.2012 hat die Beklagte die Sicherstellung der Waffen auch auf § 46 Abs. 2 WaffG gestützt, nachdem sie in der Verfügung die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers widerrufen hat. Das dargestellte Stufenverhältnis (Aufhebung der waffenrechtlichen Erlaubnis, erfolgloser Ablauf einer Frist für die Überlassung oder Unbrauchbarmachung, Sicherstellung) verdeutlicht jedoch, dass auch diese Norm keine Grundlage für die sofortige Sicherstellung ist. Ohnehin ist auch der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse rechtswidrig.
Für die sofortige Sicherstellung der Waffen, d.h. ohne vorherige Frist, müssen zusätzlich die Voraussetzungen des § 46 Abs. 4 WaffG vorliegen. Indessen fehlt eine rechtliche Grundlage dafür, aus der Nichtvorlage des Gutachtens die weitergehende Schlussfolgerung zu ziehen, dass auch die Voraussetzungen für die sofortige Sicherstellung vorliegen.
Kommt eine Umdeutung in eine sofortige Sicherstellung aus den vorgenannten Gründen nicht in Betracht, so kann offen bleiben, ob eine solche hier auch nach § 47 Abs. 3 VwVfG unzulässig ist, wonach eine gebundene Entscheidung nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden kann. Dafür spricht immerhin, dass die Beklagte die Gutachtenanforderung unter Nr. I der Verfügung, die mit Nr. II der Verfügung im Zusammenhang steht (dazu bereits oben), als gebundene Entscheidung getroffen hat, während die sofortige Sicherstellung nach § 46 Abs. 4 WaffG im Ermessen der Beklagten steht.
Ist die Verfügung vom 06.06.2011 danach aufzuheben, fehlt es auch an einer Rechtsgrundlage dafür, dass die Beklagte die Waffen weiter in Besitz behält. Der Kläger kann aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch in entspr. Anwendung der §§ 12, 985,1004 BGB ihre Herausgabe verlangen. Durch schlicht hoheitliches Handeln der Beklagten (Inbesitznahme der Waffen) ist beim Kläger eine Rechtsverletzung eingetreten, die noch fortdauert. Durch die Herausgabe der Waffen werden die rechtswidrigen Folgen beseitigt und wird wieder ein dem geltenden Recht entsprechender Zustand hergestellt[5].
Die Verfügung der Beklagten vom 11.09.2012 ist gleichfalls rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Zunächst liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Widerruf der dem Kläger erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse aus § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG nicht vor. Es sind nachträglich keine Tatsachen eingetreten, die zu ihrer Versagung hätten führen müssen. Entgegen der Auffassung der Beklagten muss weiterhin davon ausgegangen werden, dass der Kläger die persönliche Eignung für eine waffenrechtliche Erlaubnis in der Form der Waffenbesitzkarte besitzt (§§ 4 Abs. 1 Nr. 2, 6 Abs. 1 WaffG).
Es liegen keine Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, der Kläger sei psychisch krank (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG). Selbst wenn es zutreffen sollte, dass der Werksarzt seines Arbeitgebers eine Vorsprache des Klägers beim Hausarzt veranlasst haben sollte, weil sich der Kläger in einer persönlich schwierigen Lebenssituation befand, so kann daraus eine solche Schlussfolgerung nicht gezogen werden. Denn unter einer psychischen Erkrankung i.S. dieser Bestimmung sind die Fälle zu verstehen, in denen die Störung der Geistestätigkeit derart massiv ist, dass die Fähigkeit vernünftiger Willensbildung ausgeschlossen ist[6].
Wie sich aus den obigen Ausführungen gleichfalls ergibt, ist beim Kläger auch die konkrete Gefahr einer Fremd- oder Selbstgefährdung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG) nicht nachgewiesen.
Die Beklagte stützt ihre Entscheidung letztlich aber auch darauf, dass der Kläger das von ihr geforderte fachärztliche oder fachpsychologische Gutachten nicht beigebracht habe. Offensichtlich bezieht sich die Beklagte dabei auf die Gutachtenanforderung im Schreiben vom 03.03.2011, denn sie führt aus, das vom Kläger daraufhin vorgelegte hausärztliche Attest sei nicht ausreichend gewesen.
Richtig ist zwar, dass die Beklagte als Waffenbehörde gemäß §§ 45 Abs. 4 WaffG, 4 Abs. 6 AWaffV aus der Nichtvorlage eines Gutachtens auf die fehlende Eignung des Betroffenen schließen darf. Voraussetzung ist dafür aber, dass die Gutachtenanfor-derung ihrerseits rechtmäßig ist[7].
Hier bestehen bereits formelle Bedenken. Denn in ihrem Schreiben vom 03.03.2011 teilt die Beklagte nicht die Gründe für die die Zweifel oder die Bedenken begründenden Tatsachen hinsichtlich der persönlichen Eignung des Klägers mit (§ 4 Abs. 3 AWaffV). Letztlich kommt es darauf jedoch nicht an. Die Vorgänge, die zur Hausdurchsuchung beim Kläger am 11.11.2010 geführt haben und die in diesem Zusammenhang bekanntgewordenen Informationen sind keine Tatsachen, die Bedenken gegen die persönliche Eignung des Klägers i.S. des § 6 Abs. 2 WaffG begründen.
Dies gilt auch für die Äußerung des Klägers bezüglich der Stürmung des Polizeireviers in … mit einem Bagger. Auch der Kläger hat diese Äußerung eingeräumt, jedoch plausibel damit erklärt, dass sie im Zusammenhang mit der Stürmung von Polizeirevieren in Frankreich gefallen sei und sich darauf bezogen habe, wie man so etwas überhaupt machen könne.
Unabhängig davon, ob dieser Zusammenhang tatsächlich so besteht, unterscheidet sich die hier gegebene Fallkonstellation deutlich von den Fällen, in denen die Rechtsprechung angenommen hat, dass Tatsachen bekannt seien, die Bedenken gegen die Eignung begründen. Diese Fälle sind jeweils dadurch gekennzeichnet, dass der Inhaber der waffenrechtlichen Erlaubnis in einer konkreten Konfliktsituation eine Drohung ausgesprochen hat, die er auch hätte realisieren können. In dem Fall, der dem Beschluss des VG Kassel vom 23.02.2011 zu Grunde liegt, hat der Antragsteller etwa einem anderen Verkehrsteilnehmer mit einem Elektroschocker gedroht, obwohl eine unmittelbare Gefährdung für ihn nicht (mehr) bestand, woraus die Bedenken abgeleitet wurden, er könne in von ihm als belastend empfundenen Situationen tatsächlich einmal die Kontrolle verlieren und andere durch den Einsatz seiner Waffen gefährden (- 4 L 105/11.KS )). Der Antragsteller in einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Dresden hat die Tür zur Wohnung seiner Lebensgefährtin eingetreten, sie körperlich verletzt und soll ihr damit gedroht haben, sie umzubringen (VG Dresden, Beschl. v. 01.02.2010 – 4 L 246/09)). Das Verwaltungsgericht Augsburg hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem die Inhaberin der waffenrechtlichen Erlaubnis im Zusammenhang mit einem Nachbarschaftsstreit gegenüber der Polizei erklärt hatte, dass man bei solchen Nachbarn Waffen brauche[8].
Die Äußerung des Klägers unterscheidet sich jedenfalls deutlich von den oben beschriebenen Fallkonstellationen. Selbst wenn kein Anlassbezug (Stürmung der Polizeireviere in Frankreich) bestanden haben sollte, hat es sich dabei allenfalls um eine Prahlerei im Kollegenkreis gehandelt und es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass mit deren Umsetzung zu rechnen war, zumal schon die Besorgung eines Baggers erhebliche Probleme aufwerfen dürfte. Der vom Tagmeister … hergestellte Zusammenhang zwischen der Äußerung des Klägers und der Ablehnung seiner Bewerbung um Einstellung in den Polizeidienst ist nicht plausibel. Der Tagmeister … hat den Sachverhalt so dargestellt, als habe sich der Kläger um hauptberufliche Einstellung in den Polizeidienst beworben, um so nach seiner möglicherweise bevorstehenden Entlassung bei der … dem Schicksal der Arbeitslosigkeit zu entgehen. Dem ist jedoch nicht so. Tatsächlich wurde nur eine Bewerbung des Klägers um die Aufnahme als Polizeifreiwilliger abgelehnt. Existentielle Bedeutung kommt dem nicht zu. Unabhängig davon hat auch der Tagmeister … angegeben, dass der Kläger auch bei betrieblichen Differenzen niemals jemandem gedroht habe oder gar handgreiflich geworden sei.
Die Beklagte stützt sich maßgeblich auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 03.08.2011[9]. In dieser Entscheidung wird die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit auf einen einmaligen Verstoß gegen die in § 36 Abs. 1 und 2 WaffG normierten Aufbewahrungspflichten gestützt. Abgesehen davon, dass vorliegend nicht die Zuverlässigkeit, sondern die Eignung in Rede steht, fällt dem Kläger ein Verstoß gegen waffenrechtliche Vorschriften nicht zur Last.
Rechtsgrundlage für die Anordnung unter Nr. II der Verfügung vom 11.09.2012 kann allein § 46 Abs. 1 WaffG sein. Wie gezeigt, ist der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Klägers jedoch rechtswidrig. Abgesehen davon geht die Anordnung der Herausgabe ohnehin ins Leere, weil der Kläger den Besitz an den Urkunden über die waffenrechtlichen Erlaubnisse nach der Hausdurchsuchung und der Beschlagnahme durch die Kriminalpolizei Lörrach am 11.11.2010 überhaupt nicht wiedererlangt hat.
Der Anordnung unter Nr. III kommt keine selbständige Bedeutung zu, es handelt sich um eine bloße Wiederholung der Regelung unter Nr. II der Verfügung vom 06.06.2011.
Die Leistungsklage auf Herausgabe der Urkunden über die waffenrechtlichen Erlaubnisse und die Erlaubnis nach § 27 Sprengstoffgesetz ist nicht begründet. Sie ist auf eine unmögliche Leistung gerichtet, weil die Beklagte die Erlaubnisse überhaupt nicht in Besitz hat. Sie wurden ihr – anders als die Waffen – von der Kriminalpolizei … nicht übergeben.
- vgl. Steindorf/Heinrich/Papsthart, Waffenrecht, Komm., 9. Aufl., 2010, RN 7 zu § 37 WaffG[↩]
- vgl. Sailer in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., 2007, D, Teil X, RN 3[↩]
- vgl. VG Freiburg, Beschl. v. 14.06.2012 – 4 K 914/12[↩]
- vgl. Bumiller/Harders, FamFG, Komm., 10. Aufl. 2011, RN 7 – 10 zu § 45[↩]
- vgl. dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, Komm., 12. Aufl., 2011, RN 30 und 31 zu § 49a[↩]
- vgl. Gade/Stoppa, WaffG, Komm., 1. Aufl., 2011, RN 6 zu § 6 und Steindorf/Heinrich/Papsthart, Waffenrecht, Komm., 9. Aufl., 2010, RN 5 zu § 6 WaffG[↩]
- vgl. VG Freiburg, Urt. v. 21.12.2011 – 2 K 1301/11, NVwZ-RR 2012, 308[↩]
- VG Augsburg, Beschl. v. 17.02.2009 – Au 4 S 08.1855[↩]
- VGH Baden-Württ., Beschluss vom 03.08.2011 – 1 S 1391/11, VBlBW 2012, 143[↩]