Notwehr mit der Schusswaffe

Nach den von der Rechtsprechung für die Grenzen der Notwehr unter Benutzung einer Schusswaffe aufgestellten Grundsätzen darf der Angegriffene grundsätzlich das für ihn erreichbare Abwehrmittel wählen, das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr erwarten lässt; dem lebensgefährlichen Einsatz einer Schusswaffe sind gleichwohl Grenzen gesetzt.

Notwehr mit der Schusswaffe

Er ist zwar nicht von vornherein unzulässig, kann aber nur das letzte Mittel der Verteidigung sein. In der Regel ist der Angegriffene gehalten, den Gebrauch der Waffe zunächst anzudrohen. Reicht dies nicht aus, so muss er, wenn möglich, vor dem tödlichen Schuss einen weniger gefährlichen Waffeneinsatz versuchen.

In Frage kommen ungezielte Warnschüsse oder, wenn diese nicht ausreichen, Schüsse in die Beine, um den Angreifer kampfunfähig zu machen, also solche Abwehrmittel, die einerseits für die Wirkung der Abwehr nicht zweifelhaft sind und andererseits die Intensität und Gefährlichkeit des Angriffs nicht unnötig überbieten[1].

Dabei wird der Rahmen der erforderlichen Verteidigung durch die Stärke und die Gefährlichkeit des Angreifers und durch die Verteidigungsmöglichkeiten des Angegriffenen bestimmt[2].

Angesichts der „konkreten Kampflage“ – der Nachbar hatte hier lediglich noch einen Holzstummel in der Hand; der Angeklagte (sieben Jahre jünger und von kräftiger Statur) hatte sein Gewehr in Vorhalte; mit dem Gewehr konnte zwar nur ein Schuss abgegeben werden; der geringe Abstand zwischen den Kontrahenten ermöglichte indes einen sicheren Schuss auf weniger gefährliche Körperregionen – ist die Würdigung, der Angeklagte habe nicht sofort auf die Brust des Opfers schießen dürfen, für den Bundesgerichtshof ohne Rechtsfehler.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21. Juli 2015 – 3 StR 84/15

  1. vgl. BGH aaO mwN[]
  2. BGH, Urteil vom 29.06.1994 – 3 StR 628/93, BGHR StGB § 32 Abs. 2 Erforderlichkeit 11 mwN[]