Der Bundesgerichtshof hatte aktuell einen Streit zu entscheiden, der zwischen zwei Jägern eskaliert war. In diesem Zusammenhang stellte sich dem Bundesgerichtshof auch die Frage eines Notwehrexzesses des überlebenden Jägers.

Was war passiert? Nach den Feststellungen des Landgerichts trafen der Angeklagte und der Geschädigte, die beide in ihrer Freizeit der Jagd nachgingen, in den frühen Abendstunden auf einem Feldweg aufeinander. Der Angeklagte, der sich in einer depressiven Phase befand und alkoholisiert war, saß, nachdem er in suizidaler Absicht unter Mitführung einer mit sieben Patronen geladenen halbautomatischen Pistole Kal. 9 mm in den Wald gegangen war, am Wegesrand und schlief, was den Geschädigten, der gerade von der Jagd zurückkam, an der Weiterfahrt hinderte. Er weckte den Angeklagten mit einem Tritt und forderte ihn mit unfreundlichen Worten auf, sich zu entfernen. Der darüber verärgerte Angeklagte trat daraufhin dem Geschädigten in das Gesäß und beschimpfte ihn. Der Geschädigte, nun seinerseits erbost, rief „Na warte du mal“ und schickte sich an, seine Flinte aus dem Fahrzeug zu holen. Der Angeklagte, der Angst vor einem Angriff hatte, sprühte dem Geschädigten Pfefferspray ins Gesicht. Dieser zeigte sich jedoch unbeeindruckt, erfasste die Waffe und hielt sie in Richtung des Angeklagten. Aus Angst vor einem Angriff schoss der Angeklagte nun zwei Mal in Richtung des Geschädigten, wobei er ihn am Oberarm traf. Der Geschädigte hantierte gleichwohl weiter an seiner doppelläufigen Flinte, um sie zu laden oder schussbereit zu machen. Der Angeklagte gab nunmehr einen Warnschuss in die Luft ab, ohne dass der Geschädigte hierauf eine Reaktion zeigte. Da der Angeklagte befürchtete, dass es dem Geschädigten alsbald gelänge, die Waffe zu laden und schussfertig zu machen, gab er nunmehr einen gezielten Schuss auf den Rumpf des Geschädigten ab. Der Geschädigte zeigte sich zunächst auch hiervon unbeeindruckt, weshalb der Angeklagte im Anschluss auch noch in dessen Bein schoss. Nunmehr hielt der Geschädigte inne und ließ das Gewehr sinken. Der Angeklagte nahm es ihm ab und entfernte sich. Der Geschädigte verstarb an den Folgen des Rumpfschusses.
Der Bundesgerichtshof lehnte zunächst den Rechtfertigungsgrund der Notwehr ab, da die Verteidigungshandlung des Angeklagten nicht erforderlich im Sinne des § 32 StGB war.
Sodann war das Vorliegen eines Notwehrexzesses (§ 33 StGB) zu prüfen.
Erstinstanzlich ist das Landgericht Erfurt davon ausgegangen, der Angeklagte habe nicht aus Angst, Furcht oder Schrecken die Grenzen der Notwehr überschritten. Er habe vielmehr im hohen Maße gesteuert, kontrolliert und zielgerichtet sowie außerordentlich überlegt gehandelt. Zur Begründung hat das Gericht die Einlassung des Angeklagten herangezogen, der angegeben hatte, er habe deshalb auf den Geschädigten geschossen, weil dieser zuvor auf ihn geschossen habe. Die Strafkammer hat daraus den Schluss gezogen, der Angeklagte mache lediglich geltend, aus Notwehr geschossen und nicht etwa aus Angst, Furcht oder Schrecken das Notwehrrecht überschritten zu haben.
Der Bundesgerichtshof hielt diese Erwägungen für rechtsfehlerhaft: Die zur Begründung herangezogene Einlassung des Angeklagten hat das Landgericht an anderer Stelle als widerlegt erachtet; es ist in den getroffenen Feststellungen gerade nicht davon ausgegangen, dass der Geschädigte zuvor auf den Angeklagten geschossen habe. Die widerlegte Einlassung des Angeklagten durfte daher auch im Rahmen der Prüfung des § 33 StGB nicht herangezogen werden, um ein überlegtes Handeln des Angeklagten zu begründen.
Die bisherigen Feststellungen rechtfertigen auch im Gesamtzusammenhang nicht die Wertung, der Angeklagte könne die Grenzen der Notwehr nicht aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken im Sinne von § 33 StGB überschritten haben. Dagegen spricht, dass der Angeklagte jedenfalls nach eigener Einlassung vor der Schussabgabe in den Rumpf des Geschädigten „kurz vor dem Durchdrehen“ gewesen und „hektisch hin und her gelaufen“ sei. Damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. September 2014 -2 StR 113/14